Cologne
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Kulturbanausen: Wenn Steine übers Finanzamt stolpern
Finanzminister von NRW rehabilitiert Kölner Künstler. Doch warum sind Tom Fechts "Namen und Steine" keine Kunst?
Köln/Berlin 1. Juli 2011. Zweifelsohne: Der Berliner Tom Fecht ist ein Künstler: Er stellt auf der Documeneta aus, entwirft Skulpturen, fotografiert und er rief das Kunstprojekt „Namen und Steine“ ins Leben. Seine unscheinbaren aber wirkungsvollen Installationen erinnern seit 1992 an Menschen, die an Aids verstorben sind. Doch für das Berliner Finanzamt sind seine Kunstwerke fiskalisch betrachtet schnöder Kommerz. Für die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung vom 24. Juni in der Kölner Altstadt stellte sich diese Frage nicht. Für Marlon Berkigt von der Aidshilfe Köln, die erneut ein steinernes Werk aus Fechts Künstlerhand erwarb, sind die mit den Namen von HIV-Todesopfern versehenen Steine nicht nur Kunst, sondern zudem ein wichtiges Instrument, um auf die Immunschwächekrankheit aufmerksam zu machen: „Die Installation ist ein Denkraum zur Erinnerung an die an Aids verstorbenen Frauen und Männer in Köln.“ Also mitnichten Kommerz. Trotzdem muss die Kölner Aidshilfe für Tom Fechts Kunstwerke den unermäßigten Umsatzsteuersatz von 19 Prozent zahlen. Ärgerlich, weil die unangebrachten Extrakosten aus Spendengeldern finanziert werden. „Natürlich wäre es schön, wenn meine Skulpturen auch von den Finanzbehörden als Kunstwerke anerkannt würden, denn dann wäre es für alle Aidshilfen im Bund günstiger, sie zu erwerben“, erklärt Tom Fecht, der eine Berliner Steuernummer führt.
Des Künstlers Wunsch könnte in Erfüllung gehen, nachdem sein Kölner Kollege Gunter Demnig mit Erfolg Protest schlug. Der Künstler mit dem markanten Cowboyhut wurde mit seinen kupfernen Stolpersteinen berühmt, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Auch er sollte plötzlich die volle Mehrwertsteuer in Rechnung stellen müssen. Doch Demnig wehrt sich, moniert die Praxis des Finanzamtes und verschafft sich Gehör. Just an dem Tag als in der Altstadt die Gedenkveranstaltung Namen und Steine mit Fechts Steinen stattfindet, zu der die Aidshilfe Köln am Nachmittag einlädt, erhält der Rheinländer Demnig abends einen Anruf von NRWs Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans höchstpersönlich: „Der oberste Chef der Finanzämter erklärte mir, dass meine Stolpersteine ganz klar als Gesamtkunstwerk anerkannt werden, und somit berechtigt sind, mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz in Rechnung gestellt zu werden.“ Das sei wichtig, weil die Stolpersteine von Privatpersonen erworben würden, die in ihrer Nachbarschaft, die Steine als Mahnmale in Bürgersteine einlassen.
FLASH informierte den Berliner Künstler Tom Fecht über die positiven Neuigkeiten aus NRW. An seinem französischen Arbeitsort in Finistère erklärt der Namen und Steine-Künstler Ende Juni: „Das ist eine sehr gute Nachricht, ich werde mich mit Demnig in Verbindung setzen. Denn was in NRW Kunst ist, muss auch in Berlin als Kunst anerkannt werden.“ Falls Fechts Anliegen in Berlin von Erfolg gekrönt wird, darf im nächsten Jahr wieder ein steuerlich anerkanntes Kunstwerk am Kölner Rheinufer eingelassen werden. Die Aidshilfe in Köln dürfte das freuen. Denn zweifellos sind Spendengelder immer knapp. Photo 2006 © Marc Kersten flash cologne

25 March 2006
Robert Niedermeier, Köln