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Wolfgang Tillmans im Gespräch mit Bernhart Schwenk
aus der Festschrift
Bernhart Schwenk: Die Fotografien, mit denen Sie bekannt geworden sind, stehen für eine jugendliche Jetzt-Welt, in der man sich eher mit Musik berauscht als kritisch nachdenkt...
Wolfgang Tillmans: Nachdenklichkeit drückt sich nicht nur in Formen aus, die nachdenklich oder kritisch aussehen, sondern ist für mich Teil einer positiven und spielerischen Lebensauffassung. Als ich anfing zu arbeiten, war ich erfüllt von dem Wunsch nach einem bewussten Miteinander, frei von Materialismus und Konsumzwang und auch frei von verbitterten Theorien und Angst vor Leichtigkeit. Das sind Qualitäten, die ich unter anderen in der Techno-Szene Anfang der neunziger Jahre gefunden habe. Was sich da für den oberflächlichen Betrachter als Hedonismus zeigt, war für mich ein aktiver Ausdruck von Sinnsuche und Lebenserfahrung.
Spielte das Thema AIDS in Ihren bisherigen Arbeiten bereits eine Rolle?
Seit ich 15, also seit ich sexuell aktiv bin, hat es immer diese unselige Verbindung zwischen Sex, AIDS und Tod gegeben. AIDS hat sich daher tief in mein Gefühlsleben eingeschrieben und hat unterschwellig auch immer eine Präsenz in meiner Arbeit gehabt. Ich habe AIDS allerdings nie zum eigentlichen Thema gemacht, obwohl es mein Denken und Handeln weiterhin beeinflusst. 1997 hat der plötzliche Tod meines Freundes Jochen Klein die Krankheit akut in mein Leben gebracht, was sich dann auch in Arbeiten niedergeschlagen hat. Aber selbst in diesem Fall sind die Bilder nicht explizit AIDS-bezogen.
Ist AIDS für einen Künstler ein schwieriges Thema?
Ich glaube ja, weil es in einer toleranten Kunstwelt so viel guten Willen erzeugt und dadurch fast unkritisierbar ist. In einem intoleranten Zusammenhang wiederum sind vor allem Aufklärung und Agitation gefordert. Die Verbindung zwischen 'hochemotional' und 'hochpolitisch' kann einem Kunstwerk leicht den Freiraum nehmen und es zur Illustration werden lassen.
Wussten Sie sofort, wie Ihr AIDS-Denkmal aussehen wird?
Ich wollte etwas machen, was auch die Möglichkeit zum Verweilen zulässt, wollte, dass die Skulptur zu einer Erfahrung von Stadtraum wird und nicht nur den einzigen Zweck hat, auf ihren Anlass zu verweisen. Das Memorial sollte emotional wirken, ohne den Betrachtern vorzuschreiben, wie sie sich verhalten müssen. Deshalb habe ich eine eindeutig lesbare oder erzählerische Symbolik vermieden und mich stattdessen einer Form bedient, die den meisten Münchnern vertraut ist, nämlich die gekachelten Säulen der U-Bahn. Es ging nicht um das Hinzufügen einer neuen Form in den ohnehin mit Formen und Farben überladenen innerstädtischen Raum, sondern darum, mit der Umdeutung des bereits Vorhandenen eine Auseinandersetzung hervorzurufen.
In der Schlußszene von Rainer Werner Fassbinders Film "Faustrecht der Freiheit" von 1975 stirbt der Protagonist des Films, allein gelassen von einer ignoranten Gesellschaft, als Verlierer und Außenseiter am Fuß einer blauen Säule in der U-Bahnstation am Marienplatz. Für Fassbinder hatten diese gekachelten Säulen also auch eine Faszination...
Wie Fassbinder diesen Ort zeigt, hat mir sehr gut gefallen. Für mich steht allerdings die Bedeutung der Säule als „eine von Vielen“ im Vordergrund. In den U-Bahnhöfen stehen ja Dutzende dieser Säulen, und eine von ihnen steht oben auf dem Platz, quasi als Spitze des Eisbergs. Die Umdrehung von Untergrund und Oberfläche hat natürlich auch eine eigene Symbolik. Vor allem aber ist die Alltäglichkeit der Form ein Verweis auf die alltägliche Präsenz von AIDS im Leben Vieler. Obwohl mir wörtliche Interpretationen nicht liegen, bin ich froh darüber, wie viele verschiedene Lesarten man hier verfolgen kann, aber eben nicht muss.
Die U-Bahn mit den blauen Säulen wurde für die Olympischen Spiele
von 1972 gebaut, die „heiteren Spiele“, wie man sie nannte...
An München haben mich von Jugend an die U-Bahn und die ganze Siebziger-Jahre-Olympia-Ästhetik fasziniert. Es ist ja eine für Deutschland ungewöhnlich leichte und farbintensive Gestaltung, die von einem optimistischen Glauben an die Zukunft zeugt. 'Wir gestalten eine offenere, bessere Welt'. Ich selbst gehöre einer Generation an, die nicht mehr an einem ungebrochenen Fortschritts- und Utopieglauben teilhaben konnte, und ich blicke sentimental auf die Zeit davor zurück. Die Zeit davor, das war auch die Zeit vor AIDS.
Ich finde den Optimismus aus den sechziger und siebziger Jahren enorm wertvoll. Ohne den wäre heute vieles nicht so, wie es ist. Das lebendige Türkis-Blau der Säule jedenfalls steht für mich für diesen positiven Zukunftsglauben. Auch die Kacheln aus Keramik, die ein bisschen wie selbstgemacht aussehen, haben eine angenehme Ausstrahlung. Vielleicht kann die Säule des AIDS-Memorials etwas Menschliches herübertragen aus dieser Zeit. Foto © Wilfried Petzi, München
16 July 2002
Bernhart Schwenk, München